Flottillentörn April 2017 Griechenland


Bordtagebuch Flottillentörn April 2017

Der Start in das Segeljahr 2017 mit einem Mega-Event voller spannender Ereignisse. In diesem Reisebericht mit den Bildern kannst du alle High- und Low-Lights nachlesen und die Segelreise förmlich nacherleben. Falls du nur die Fotos ansehen möchtest, kommst du hier dazu. Viel Spass!

Das galoppierende Pferd

Freitag, 07. April 2017

 

Getroffen haben wir uns alle am Flughafen Zürich - alle zu verschiedenen Zeiten. Check-in, Sicherheits-kontrolle, alles lief gut und nach Plan. Vor dem Gate verköstigten sich die einen Crew-Mitglieder noch, bevor sie sich im Flugzeug mit meist eher fragwürdiger Speisequalität konfrontiert sehen würden. Der Skipper Roger musste für den Turn noch die Bordapotheke etwas aufstocken. Es fehlten drei Medikamente: eines gegen Durchfall, ein Blutverdünner und etwas gegen unerwartete allergische Reaktionen. Bestimmt konnte man das ganz einfach noch irgendwo kaufen.

 

Die Laune war gut bei Eintritt in die Apotheke. Als die Apothekerin dann den Mund öffnete und daraus heraus ein etwas eckiges Deutsch erklang, wurde der Skipper das erste mal ein wenig stuzig.

 

„Ich bräuchte etwas gegen Durchfall bzw. etwas, das den Durchfall hemmt.“

„Da aben wir z. B. Immodium akut...“

„Perfekt, das nehme ich gleich. Dann bräuchte ich einen Blutverdünner wie Aspirin.“

„Also wir aben da Aspirin 500, Aspirin Tabletten, Aspirin Pulver, Aspirin in kleiner Packung...“, laferte sie herunter und fuhr mit Ihren Händen einmal in der oberen Reihe von links nach rechts und eine Reihe weiter unten von rechts nach links. 

 

„Also ich bräuchte das Medikament vor allem gegen Kopfschmerzen und für Segler mit Herzinfarktrisiko. Ähm... was ist jetzt da genau der Unterschied?“, fragte der Skipper etwas überfordert. - „Wenn Sie Pazienten an Bord aben mit Erzproblemen, dann aben die sowieso eine eigene Medicament, das persönlich für sie ist...“ - „Danke, das weiss ich," fuhr ihr der Skipper ins Wort: "Ich spreche von Crew-Mitgliedern, die nichts von so einem gesundheitlichen Problem wissen und dann plötzlich damit konfrontiert werden. Ich nehme sonst gerne das Aspirin für 11 Franken 20.“ - „Also die Capsel?“ - „Nein war das nicht... ach, geben Sie mir etwas, das sich in Wasser auflösen lässt, bitte!" - „Also dann das Grosse oder Kleine?“, machte es die Apothekerin zusätzlich schwierig.

 

Der Skipper nerve sich allmählich. Noch nicht unbedingt an der Apothekerin, sondern an der fast schon sinnerlösten Auswahl desselben Produkts: „Gut, geben Sie mir das kleine Pack, dessen Tabletten ich in Wasser auflösen kann. Und dann benötige ich noch ein Anti-Allergikum. Was für Möglichkeiten haben Sie da?“ - „Also, wir aben hier Produkt xy und Produkt sowieso oder aber auch Produkt Supergut.“

 

„Mann, das gibt's doch nicht!“, dachte sich der Skipper und fügte hinzu: „Also eigentlich benötige ich einfach ein Antiallergikum, das ich z. B. bei Bienenstichen oder bei allergischen Reaktionen nach Fischkonsum geben kann. Was würden Sie mir da empfehlen?“ - „Also bei Personen mit Allergien ist es so, die wissen schon, dass sie Allergien aben. Diese Personen aben schon eigene, persönliche Medikamente dabei, die...“ - „Ja, das ist mir bewusst,“ fuhr ihr der Skipper zum zweiten Mal ins Wort: „Ich spreche hier von Personen, die unwissentlich auf etwas reagieren, z. B. auf einen Fisch, von dem sie nicht wussten, dass sie darauf reagieren.“ -  „Wissen Sie, wenn jemand zeigt solche allergische Reaktionen, dann müssen diese Personen immer ins Spital.“


Langsam wurde es richtig mühsam. Für was hielt sich diese Apothekerin? Skipper: „Hören Sie, ich bin auf einem Segelschiff. Wenn eine allergische Reaktion eintritt, kann es Stunden dauern, bis ich in einem Spital bin oder jemand bei uns auf dem Schiff ist. Was ich will, ist ein Medikament, das ich verabreichen kann, um diese Zeit zu überbrücken und dem Crew-Mitglied zu helfen, wenn es dabei ist, zu ersticken zum Beispiel. Verstehen Sie das? Also, kann ich das Produkt xy für diese Zwecke nutzen? Ja oder nein?“ - „Also, wenn, ähm... also wenn jemand starke allergische Raktion at, tut diese Person schon wissen und haben ihre Me...“ Die Dame erklärte sich nur schwer und stockend in ihrem miseralben Deutsch.

 

Ein Blick auf die Uhr und dann passierte es. Dem Skipper riss der Geduldfaden: „Nochmals! Hilft dieses Medikament? Ja oder nein?“, reagierte der Skipper sichtlich genervt. - „Ja.“ - „Gut, dann nehme ich das dazu. Und das ist dann alles!“ - „Achtundswanzig Franken fünfzig, bitte.“

 

Der Bezahlvorgang leitete eine angenehme und willkommene Ruhephase ein, die wohl beidseitig geschätzt wurde

 

„Und eine Franken funfzig surück. Aber wissen Sie," fuhr die Apotherkerin mit ihrer mickrigen Stimme fort: "wenn Sie auf Meer sind und allergische Reaktion auftritt, dann...“ - „Einen schönen Tag!“, wünschte der Skipper und schnitt ihr noch, während sie am Reden war, das Wort ab. Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, lief er aus der Apotheke. „Das wäre erst mal geschafft!", dachte er sich. Was für ein schräger Auftakt für diese Segelreise!

 

Nach der Landung in Athen liessen wir uns von zwei Shuttles abholen und wurden direkt in unser Hotel gebracht. Atemberaubende Zimmer von 95m2 Grösse, alles sauber, zwei Zimmer, zwei Badezimmer, Abstellkammer, Stube und grosszügige Terrasse.

 

Bevor wir das Hotel für ein herrliches Nachtessen verliessen, bearbeiteten Roger und Dani noch den Boxsack, den das Hotel aufgestellt hatte. Doch so sehr mochten die Zuständigen des Hotels das offenbar nicht. Denn bereits nach den ersten Faustschlägen und Fusstritten, die im Stoff des Box-Apparates versanken, tauchte der Rezeptionist aus der Eingangstüre auf und musterte uns aufmerksam von dort aus.

 

Also, wenn wir uns hier nicht austoben durften, wozu dann dieser Boxsack? Wir verausgabten uns weiter an dem Gerät und der Rezeptionist erpähte uns noch ein zweites Mal aus einigen Metern Entfernung. Gesagt hatte er aber nichts. Wer weiss, vielleicht hätte er ja auch mitmachen wollen!? Offenbar war alles halbl so wild.

 

An derselben  Rezeption liessen wir uns nämlich ein gutes Steak-House Namens XIMA um die Ecke empfehlen, wo wir vorzügliche Shish-Kebabspiesse, Salate, Grilled Pies und vieles mehr in bester griechischer Gastfreundschaft geniessen konnten. Parallel zum Nachtisch wurde auf Kosten des Gastgebers Ouzo serviert – nicht nur ein Gläschen. Ein grosszügiger Vorrat für ein zweites oder drittes Glas war bereits in kleinen Dekantier-Flaschen abgefüllt. Jo und Susanne von der Crew füllten ihre Gläser immer wieder mit Wasser zum Anstossen, während am anderen Ende des langen 10er-Tisches die Crew kräftig das austrank, was die anderen für sie übrigliessen.

 

Das Interiör war liebevoll und kreativ in warmem, dämmerndem Licht gestaltet. Leid hat uns nur die junge und top gekleidete Empfangsdame getan, die fortwährend zur Pflicht berufen war, durch das kleine Glasfenster der Eingangstüre nach draussen zu blicken, nur um neu ankommenden Gästen die Türe zuvorkommend zu öffnen Das Restaurant war mässig besucht, was wir auf die Wirtschaftskrise zurückführten. Immerhin war es Freitagabend. Untermalt wurde der Eindruck, als der Kellner uns bat, das Restaurant auf Tripadvisor zu empfehlen, was wir natürlich machen werden.

Zurück im Hotel bemerkten wir, dass das Appartment von Anina und Dinah gleich neben dem von Sevi, Dani und Roger lag. Als wir den grosszügigen Balkon entdeckten, tauschten wir uns über die Balkone hinweg noch ein wenig aus. Sevi war noch drinnen. Nach einigen lauten Lachern, tauchte unter unseren Balkonen plötzlich die grosse, schattige Gestalt des Rezeptionisten auf: „Please, be calm. It’s midnight and people are asleep!“ Natürlich akzeptieren wir das. Kurz danach tauchte Severin hinter Dani und Roger auf. Anina und Dinah wiesen ihn im Spass darauf hin, dass hier draussen noch zwei Frauen seien. In spektakulären Galopp stürzte Sevi sich wieder durch die knapp geöffnete Balkontüre ins Innere, um sich ein T-Shirt zu holen. Und wieder lachten wir laut raus. Doch der Rezeptionist kam nicht wieder. Bald darauf gingen wir zu Bette.

Krumme Sachen

Samstag, 07.04.2017

 

Nun waren wir gespannt. Check-out im Hotel, Fussmarsch mit samt Gepäck an die Küste und da drängte sich die Frage auf: „Wollen wir die Bahn nehmen?“ Beinahe unisono hiess es „ja“. Dann stellte sich heraus, dass der Ticketautomat keine Banknoten akzeptieren würde. Hatte das etwas mit dem Finanzsystem und der griechischen Wirtschaftskrise zu tun? Zeitgleich fuhr bereits die erste Bahn ein. Und so schnell, wie sie eingefahren war, fuhr sie auch wieder ohne uns los. Also würden wir wohl zum Hafen die zwei Stationen zu Fuss gehen.

 

Die Truppe wurde zusammengetrommelt, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 1, 2, 3... 8! Moment mal, wir waren doch 10 Personen!? Wo waren... Marco und... wer fehlte noch? Ah, Susanne! Wir stellten mit Erstaunen fest, dass sie die Bahn genommen hatten. Entweder hatten sie bereits ein Ticket oder sie fuhren schwarz! Wir lachten einen Moment lang und erreichten 20 Minuten später den Hafen, wo wir auf Richard und Graham trafen. Richard organisierte den ganzen Flottillentörn und Graham skipperte auf der Yacht für Marco, Anina, Susanne und Jo. Bei Roger waren Sevi, Mirko, Dani, Dinah und Karin dabei.

 

Es war unglaublich. Ein Auto hielt an. Aus dem Fester schrie ein älterer Mann, ob wir mit ihm fahren wollten, um einkaufen zu gehen. Zugleich kam ein junger Mann mit einem iPad auf uns zu und fragte, ob wir online unsere Einkäufe bestellen wollen würden. Dann startete eine aggressive Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern. Die Wirtschaftskrise schien auch hier um sich zu greifen und der Kampf ums Überleben machte die Menschen zu Tieren. Die Sache spitzte sich zu, bis der ältere Mann aus seinem Wagen stieg und dem jungen schnellen Schrittes nacheilte. Doch dieser war schnell einige Meter weggerannt, sodass die Situation nicht eskalierte. Wir diskutierten in unserer Gruppe, wie verrückt uns die Abhängigkeit von Geld machen würde, bevor wir im Hafenlokal Dia Noche einkehrten. Dort bekamen wir die besten Caesars Salate und Superfood Salate. Und dazu lag dieses Restaurant auch noch auf einer wunderschönen, mit farbigen Blumen bepflanzten Terrasse.

 

Es verstrichen einige Stunden, bis wir schliesslich auf unsere Yachten durften. Jo, Susanne, Marco und Anina bezogen die eine Sun Odyssey 389 Namens Verona, die anderen der Gruppe die andere Namens Geneva.

Einkauf, Yachtübernahme lief alles Hand in Hand. Auf der Geneva stellten die Crewmitglieder fest, dass das letzte Segment des Mastes oberhalb der letzten Saling leicht nach Steuerbord gebogen war. Wir notierten diese Feststellung selbstverständlich auf der Inventarliste des Vercharterers. Als dieser wieder auftauchte und die Liste entgegennahm, ging eine riesen Diskussion los. Dem Skipper Roger wurde unterstellt, er sei verrückt und ob er überhaupt eine Ahnung hätte, was so eine Bemerkung bedeuten würde. Der Skipper seinerseits sagte: „Ich notiere, was ich sehe. Wenn ihr so auf mich zukommt, ärgert ihr mich. Ich versuche hier auf freundliche Wiese ein paar Sachen mit euch zu klären und ihr reagiert so!?“

 

Wir liessen andere Crew-Mitglieder die Sache anschauen. Am Schluss hatten wir verschiedene Meinungen. Die gesamte Yacht lag schräg im Wasser, was gemäss Vercharterer an der nur einseitig konstruierten Backskiste backbord lag, worin sich die schwere Rettungsinsel sowie ein Pütz mit der zweiten, extrem schweren Ankerkette befand. Die Vercharterer und Roger einigten sich darauf, die Sache mit dem Mast zu überdenken und in einer halben Stunde oder am Folgetag nochmals zu diskutieren.

 

Das Abendessen wurde von Richard in einem Gartenrestaurant im Hafen arrangiert. Dort gab es zwei sehr lange Tische, wo für alle Crewmitglieder der 9 Yachten Plätze vorgesehen waren. Einige waren jedoch noch auf dem Flug nach Athen. Dort machten wir Bekanntschaft mit ein paar Leuten anderer Crews. Der Abend fand dann für uns ein jähes Ende, als die Crews von Verona und Geneva sich zurück auf ihre Yachten machten.

Der erste Segeltag

Sonntag, 08.04.2017

 

Der Tag startete mit einem hausgemachten Birchermüesli. Kaum den letzten Löffel in den Mund gesteckt, kam der Vercharterer nochmals aufs Schiff, um uns zu fragen, ob wir die Yacht mit dem schrägen Mast nun akzeptieren würden. Während gestern noch ein Streichen der vom Skipper eingetragenen Mängeln auf der Inventarliste zur Debatte stand, reichte heute morgen ein einfaches, mündliches „Ja, wir akzeptieren die Yacht so“. Wir waren so nett, und haben den Vercharterer darauf hingewiesen, dass auch dem Skipper, der die Yacht die Woche zuvor gesegelt hatte, der schiefe Mast aufgefallen sei.


Die Sicherheitseinweisung delegierte der Skipper an die zwei Co-Skipper, Sevi und Mirko, währenddem er selber die Wetterdaten einholte und das Logbuch vorbereitete. Die zwei Co-Skipper hatten ihren Job toll gemacht. Danach liefen wir um 11:00 Uhr aus dem Hafen aus. Auf dem weg von Athen Alimou nach Epidafros durchquerten wir ein Verkehrstrennungsgebiet. Obwohl fast alle Crew-Mitglieder mindestens einmal segeln gewesen waren, erklärten wir die Manöver Wenden, Halsen und Beidrehen sowie Beiliegen anhand eines kurzen mündlichen Theorieblockes, der sogleich in die Praxis umgesetzt wurde. Der schwache Wind, der wehte, eignete sich hervorragend für ein entspanntes Üben.

 

Der April, der weiss nicht, was er will. So frischte der Wind kurz darauf dann doch auf. Als wir einmal richtigen Wind hatten, segelten wir hart am Wind und beorderten die ganze Crew zur Reling an Backbord, um den Winddruck in den Tüchern zu erhöhen und der Yacht zu noch mehr Speed zu verhelfen. 7,2 Knoten legten wir hin! Alle waren wie berauscht. In etwa derselben Zeit stillten wir unseren Hunger mit Bananen und stiessen gemeinsam mit ihnen an, als wären die Bananen Weingläser. Ein bisschen Verrücktheit gehört dazu!


Die Schiffe der Flottille segelten alle einzeln los. Erst im Hafen von Palaia Epidavros trafen wieder vier Schiffe aufeinander. Was für eine miese Situation. Richards Flaggschiff stand mit dem Heck zum Wind, drei andere Schiffe inkl. unserer Geneva ebenso. Vier Schiffe, zwei Plätze? Jetzt kam es darauf an, welche zwei Schiffe nochmals 4 Seemeilen auf sich nehmen würden, um die Bucht Limin Sofikou zu erreichen. Schliesslich machten sich die Crew von Graham und Roger auf den Weg.

 

Die Entscheidung war klasse. Denn das Örtchen Korfos (Limin Sofikou) war seelenruhig und wunderschön. Wir legten mit Buganker und Heckleinen an. Der Gastgeber eines Restaurants kam zur Hilfe, nahm uns die Leinen ab und wies uns an, wie weit wir an die Mole fahren konnten. Denn die Wassertiefe nahm gegen die Mole ab. Der Untergrund war steinig. Hier versteht es sich von selbst, dass man in das Restaurant essen geht, an dessen Plätze man anlegt. Und so kam es, dass wir bei Papa Georgios einkehrten. Das überaus herzliche und gastfreundliche sowie spassige Personal hat uns einen langen Tisch für über 12 Personen zusammengestellt. Am Tisch nebenan sass Ians Crew oder besser gesagt er mit drei blonden Frauen. Bevor wir das Restaurant verliessen, gesellten Marco und der Skipper sich noch zu Ians Tisch, um den Kontakt international zu intensivieren und festzulegen, wann wir am Folgetag ablegen würden. Währenddessen standen die restlichen Crew-Mitglieder draussen, teilweise genüsslich mit einer Zigarette, wo sie ein Deutsches Päärchen kennenlernten. Dann passierte nicht mehr viel. Viel mehr waren alle fix und foxy vom langen Tag und legten sich schlafen.

Der verpasste Anschluss

Montag, 09.04.2017

 

Wer hätte gedacht, dass wir mit einem wundervollen Blick aus 50 Metern Höhe auf die in der Morgensonne golden schimmernde Bucht starten würden? Natürlich waren nicht wir dort oben, sondern unsere geliebte Drohne. Anina und Dinah trieben Frühsport und joggten durch die Gegend. Dani bereitete ein wunderbares Birchermüesli zu. Andere genossen eine Dusche, obwohl „geniessen“ hier ein begrifflich gesehen ein Fehlgriff ist. Die Dusche war eiskalt. Der Skipper konnte das allerdings nicht bestätigen. Als dieser nämlich als letzter unter die Dusche sprang, konnte er sich - umgeben von der kühlen Frische des Morgens - schon fast förmlich im warmen Dampf des heiss plätschernden Wassers hüllen. Die Griechen sind zwar reich an Olivenbäumen, doch wer möchte sich schon mit herb riechendem Olivenöl duschen? An Wasser sind sie eher arm und daher stand auch bei dieser Dusche „Please have a short shower!“.


Kurz nach dem Frühstück hiess es Leinen los, Anker auf und der ernennte Dayskipper Sevi fuhr die Yacht souverän aus der Bucht der hoch stehenden Morgensonne entgegen. Am heutigen Tag hatten wir einen Ehrengast an Bord: Anina. Sie war sonst bei Graham auf dem Schiff.

 

Der Plan wäre eigentlich gewesen, um halb zehn die Bucht zu verlassen und am Ausgang der Bucht auf den Rest der Flottille zu treffen, der die Nacht vier Seemeilen südlicher im Hafen Palaia Epidavros verbracht hatte. Doch als wir die äussersten Punkte der Bucht passiert hatten und den Saronischen Golf drangen, fanden wir nichts als gähnende Leere vor. Wo waren die anderen Schiffe geblieben? Im Skipperchat erfuhren wir, dass alle anderen Schiffe verspätet waren, weil sie am Morgen früh Zeit verloren hatten und eine der Yachten beim Ankermanöver aus Versehen einen fremden Anker vom Grund gelöst hatte. Aus Windmangel war Segeln nicht möglich. Die Skipper Ian, Graham und Roger legten also einen langsamen Gang ein, damit die anderen Schiffe die Chance hatten, sie bis zum Kanal von Korinth aufzuholen.


Die Zeit verstrich. Endlich sahen wir weit am südlichen Horizont Schiffe mit ihren Masten und hofften, es seien unsere Leute. Der Skipperchat lief heiss. Fortwährende Updates verrieten uns, wo die anderen Schiffe steckten. Als wir bereits drei Meilen südöstlich vor der Einfahrt zum Kanal von Korinth standen, frischte es auf. 2 Beaufort, 3 Beaufort, 4 Beaufort und eine knappe 5! Wir hatten das Gross oben, fuhren Vorwindkurs, weshalb der Wind wenig spürbar war. Mirko und Dani bereiteten für die Crew einen wunderbaren Caesars Salat zu, der so gut war, dass die geamte Crew am Tisch verstummte. Gleich nach der gelungenen Mittagsverpflegung setzten wir auch das Vorsegel und nutzten die Gunst der Stunde.

 

Dann ging es los. Der Winddruck in den Segeln war bereits so stark, dass wir ins Rollgross ein Reff und ins Vorsegel zwei Reffs setzten. Die Yacht begann zu krängen, bis die backbordseitige Bordkante noch wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche war. Das Wasser drohte jeden Augenblick auf Deck zu schwappen. Die Geschwindigkeit und das Gefühl waren berauschend.


„Klar zur Wende?“, schrie der Steuermann. „Klar! ... Klar!“, kam von den Vorschotern zurück, die das Vorsegel auf beiden Seiten der Yacht bedienten. „Ree!“, schrie der Steuermann und der Bug schnitt sich durch die 5 Beaufort Wind. Wir vergasen völlig die Zeit. Um drei Uhr sollten wir beim südöstlichen Ende des Kanals von Korinth sein. Waren wir doch vorher noch  eines der ersten Schiffe gewesen, bildeten wir nun sozusagen das Schlusslicht. Gut, vorbei war der Spass also. Wir setzten Kurs auf den Kanal und stellten erstaunt fest, dass die anderen Yachten vor dem Becken am Kreisen waren. Perfekt! Wir hatten keine Zeit dem unnötigen Warten geopfert, sondern nach Schweizer Präzision unsere Zeit für tolle Erlebnisse genutzt. Alles richtig gemacht.

 

Sevi manövrierte als Dayskipper souverän an Grahams Sun Odyssey heran, an der wir uns vertäuten und die bereits an der Mole festgemacht war. An Land kamen gleich gefühlte sieben Hunde angelaufen, die einen in der Mittagssonne begrüssten. Ein Abstecher zu den Kanalbehörden sicherten uns die Erlaubnis für die Durchfahrt durch den Kanal. Im Büro der Behören machten wir gleich Bekanntschaft mit drei weiteren Skipper und deren Crew. Auf der Mole draussen stiessen die Leute bereits mit einem Bier an – ein Prosit auf einen unvergesslichen Törn! Auch den Hunden gaben wir einen Schluck Bier ;-)

 

Da sail4life und der Sohn des Skippers Gary eine Video-Drohne hatten, wünschte sich Richard, dass wir als erste und Gary als letzte Yacht durch den Kanal fahren würden, während alle anderen Yachten dazwischen sein sollten. Der Kanal war extrem schön mit beigen steinigen Flanken. Das Wasser leuchtete in einem kühlen Türkis von unten nach oben. Die Nachrichten über das VHF (Funkgerät) führten uns in ein regelrechtes Dilemma. Die Kanalbehörden funkten uns ständig an: „Move faster, move faster! 6 knots, 6 knots!" Richard hingegen liess immer wieder verlauten, dass wir den Kanal langsam passieren sollten, um die Szenerie mit den Drohnen möglichst einfach filmen zu können. Doch welche Drohne meinte er? War Harrys Drohne in der Luft? Unsere Drohne zeigte stets, dass kein GPS vorhanden war.

 

Wir hatten die Drohne zweimal ohne GPS geflogen, was extrem schwierig war. Ohne GPS kann sich die Drohne nicht selber stabilisieren und ist dem spielerischen Treiben des Windes ausgesetzt. Da wir über Wasser und von Felswänden umzingelt waren, entschieden Severin und Roger die Drohne nicht für eine einzige Szene zu riskieren.

Uns siehe da: Plötzlich hatten wir GPS und liessen unseren Vogel sich in die Lüfte erheben. Wir flogen lateral über den Kanal, längsseits dem Kanal entlang und sogar an den Yachten vorbei. Die Bilder waren überwältigend, bis wir merkten, dass wir vergessen hatten. „Nein! Das glaube ich nicht!“, reagierte der Skipper völlig entsetzt. „Was ist denn los?“, fragte jemand aus der Crew. Wir hatten vergessen, den Aufnahmeknopf zu drücken! Wie blöde war das denn!? Reue und Enttäuschung machte sich breit. Doch bevor uns drohte, den gesamten Kanal zu verpassen, liessen die Drohne gleich nochmals in den Himmel aufsteigen. Doch nochmals an die spektakulärste Stelle mit den höchsten Felswänden des Kanals zurückzufliegen, ergab keinen Sinn mehr. Erstens waren die Yachten bereits dort passiert und zweitens würden wir bei einem Bildübertragungsverlust die Drohne nicht mehr zurück an Bord bringen können. Nichtsdestotrotz fingen wir mit unserem Fluggerät noch zwei bis drei ansehliche Szenen ein.

 

Kaum aus der nordwestlichen Mündung, orchestrierte Richard über Funk ein neues Yachtspiel. Mit den neun Yachten wollte er eine Dimant-Formation fahren – selbstverständlich unter Segel. Der Wind wehte achterlich. Nicht alle Skipper durften auf einen breiten Erfahrungshorizont zurückblicken und wären wahrscheinlich versiert genug gewesen, die Formation unter Vollsegel sicher zu fahren. Darum fuhren wir das Ganze nur unter Vorsegel. Unsere Drohnen-Akkus waren leider ausgepowert. Garys Sohn konnte seine Drohne allerdings noch fliegen und fing das fantastische Spiel vom Himmel her aus mit der Kamera ein. Abgesehen davon, dass das Fahren der Formation ein beeindruckendes Schauspiel war, konnte man anhand der anderen Schiffe sehr klar beobachten, wie der Segeltrimm die Geschwindigkeit der eigenen Yacht begünstigte.

 

Nachdem die Formation wieder aufgelöst wurde, setzten einige Schiffe sofort eine Bullentalje und liessen sich vom Wind in Schmetterlingsstellung nach Nordwesten treiben. Anderen wiederum war die Arbeit zu schade und ein gut geführtes Vorsegel genug. Während alle Yachten in Sichtweite blieben, wünschte sich die Crew auf der Geneva einen Theorieblock über die verschiedenen Segelstellungen. Roger zeigte Dinah, Anina und Dani auf Papier das Einmaleins des Segelns, Mirko und Karin hielten das Schiff auf Kurs nach Kiato und Sevi entspannte sich unter Deck.


Plötzlich standen wir mit unserer Yacht im Hafenbecken von Kiato. Vor uns türmte sich ein riesen Frachter auf, die Wellen schlugen an unser Heck, die Szene hatte einen grauen Anstrich, der uns nicht gefiel. Zwei Yachten hatten gleich vor dem grossen Frachter festgemacht. „Wollten sie wirklich die Nacht neben dem lärmenden Frachter und in der unangenehmen Schwell verbringen?“, fragten wir uns. „Lasst uns in den Fischerhafen gehen!“, schlug Roger vor. Dass noch niemand von den andren Yachties auf die Idee gekommen war, verwunderte uns. Also preschten wir als erste Yacht in den Fischerhafen. Dieser lag innerhalb der grossen schützenden Mole, an der die anderen zwei Yachten bereits neben dem Frachter festgemacht hatten. Im Fischerhafen war es viel ruhiger – und zwar in allen Belangen. Nur der Wind blies unvermindert über die Hafenmauer.

 

Auf zum Anlegemanöver! Doch während wir dieses anfuhren, begannen am südlichen Hafenrand laut fluchend einige Fischer ihre Hände in die Lüfte zu werfen. Nach wenigen Sekunden beschallte uns ein Trio an Fischern. Der Gesang der Sirenen wäre wohl angenehmer gewesen – zumindest im ersten Moment. Während des Anlegemanövers fiel einem unserer Crew ein Fender über Bord. Also doch nicht anlegen. Sofort versuchten wir mit der Yacht, den Fender wieder einzufangen. Doch dieser war mit dem Bootshaken kaum zu greifen. Pech gehabt. Dann der zweite Versuch und... die Yacht war fest mit Buganker und Heckleinen an Ort und Stelle neben Richards Yacht verankert.


Eine Stunde später fiel uns der Kiefer runter. Karin und Roger hatten die Erlaubnis, Richards Yacht von innen zu bestaunten. Der Salon war immens gross, voller Gestelle und Stauraum, die Kombüse genauso. Ein vernünftiger Navitisch schloss sich achterlich der Küche an. Die Kabinen versprachen genügend Platz um beim Umdrehen im Schlaf seinem Kollegen nicht aus Versehen den Ellbogen ins Gesicht zu schlagen. Obwohl etwas altbacken, machte das Interiör der Bavaria 51 einen luxuriösen Anschein. Wir bekamen Speise und Trank offeriert, brachen allerdings rasch zum Einkauf in Kiato auf. Der Abend endete mit einem von Dani fantastisch gekochten Spaghettigericht mit Gemüsetomatensauce. Auch er möchte sein eigens gekochtes Essen wohl sehr, stellten wir alle fest, nachdem sich auch sein vierter Teller allmählich leerte. Danach holten uns die Müdigkeit und der Schlaf ein.

Sonne, Mond und Segeln

Dienstag, 11. April 2017

 

Gähn. Immer wieder hörten wir dieses Geräusch aus verschiedenen Mündern. Kein Wunder, wenn man um vier Uhr morgens, ummantelt von der frischen, dunklen und mit Glitzersternchen versehenen Tuch der Nacht ausläuft. Auch die englische Dame Jo, die heute bei uns an Bord war und zu Richards Leuten gehörte, gelüstete nach Kaffee und Early Grey Tea, um der bleiernen Schwere der Müdigkeit zu entrinnen.

Dayskipper Mirko hat uns gekonnt von der Mole abgesetzt und uns ins dunkle Schwarz des Golfs von Korinth hinausgeführt. Am Horizont blitzten die Leuchtfeuer auf, die uns durch die Dunkelheit hindurch ans Licht geleiten. Natürlich hat das nichts mit biblischen Fersen zu tun, vielmehr konnten wir nach einer rechtweisenden Peilung auf das Leuchtfeuer von Melangavi einen direkten rechtweisenden Kurs von 322 Grad auf Galaxidi setzen. Die Leuchtfeuer, die auf unserem Weg auftauchten, sorgten für eine angenehme Aufregung an Bord. War es doch spannend zu erraten, welches Licht es jeweils war. Obwohl wir anfangs wieder das hinterste Schiff waren, lagen plötzlich alle Schiffe hinter uns.

 

Die See war spiegelglatt. Wir waren froh, dass Richard uns zur Sicherheit unsere vier Lifebelt auf sechs aufgestockt hatte. Beim Vercharterer hiess es auf Verlangen nach mehr Lifeblets nur: „Roger, this ship is equiped according to Greek standard. You don’t need it.“ „Was? You don’t need it?“, dachte sich der Skipper. Diese Phrase kam ihm doch irgendwie bekannt vor. Hatten wir denselben Satz nicht schon im Juli letzten Jahres gehört, als wir bei derselben Gesellschaft eine Yacht charterten? Und ja, ausserdem waren es die selben Brüder, die die beiden Yachtbasen betrieben. Obwohl sich der Skipper klar widersetzt hatte und zu verstehen gab, dass er verantwortlich sei, wenn jemand über Bord verloren ginge, hatte der Vercharterer partout keine zusätzlichen Lifebelts zur Verfügung stellen wollen.

 

Auch an zusätzlichen Fall mangelte es. Darauf angesprochen, hiess es: „If you have a problem, you have to call us anyway. Then we come and help you.“ Die Einstellung dünkte uns etwas fragwürdig.


Die Fahrt durch das schwarze Nachtwasser lohnte sich. Auf dem Weg nach Galaxidi sahen wir Delfine, schneebedeckte Bergspitzen, über die ein kalter Wind zu uns strömte, und während am einen Ende des Horizonz noch der Vollmond leuchtete, ging im Osten feuerrot die Sonne auf. Fast alle Crew-Mitglieder legten sich noch einmal für eine halbe Stunde schlafen.

 

Wir schafften es als erste Crew nach Galaxidi und ergatterten uns sofort ein gutes Plätzchen für unsere Sun Odyssey 389. Parallel zur malerischen Hafenpromenade, an der sich Restaurants und Bars aneinanderreihten, zog sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Teppich von einem Wald über den Hügel.

 

Richard sendete im Crew-Chat die Kontaktangaben eines Taxis. Es gelang uns auf Anhieb, eines zu bestellen, um nach Delphi zu gelangen, einer antiken griechischen Kultstätte mit Treasury, Amphitheater, Marktplatz und Stadion. Der Eintritt kostete € 12 und beinhaltete ein Besuch des angrenzenden Museums. Im obersten Bereich von Delphi liessen wir unsere Drohne steigen. Schliesslich wollten wir die ganze Kultstätte, die unterhalb eines beindruckenden Berges eingebettet war, aus der Luft aufnehmen. Der Skipper hatte dabei stets ein mulmiges Gefühl. Es stand zwar nirgends, dass es verboten sei, Drohnenaufnahmen zu machen. Die Crew hatte diesbezüglich weniger Bedenken. Kaum war die Drohne in der Luft, warnte die Gruppe den Skipper, dass das Flugobjekt vom Personal bemerkt worden sei und jemand auf uns zukäme. Die Dame, die den obersten Bereich der Stätte beaufsichtige, war zum Glück zu bequem, um zu rennen. Sevi schätzte die Zeit, wie lange der Skipper noch Aufnahmen machen könnte. Und frech, wie wir waren, filmten wir natürlich nun auch das Amphitheater, von dem es hiess, man dürfe es zurzeit nicht fotografieren. Abgesehen davon ist ja Filmen und Fotografieren nicht ganz dasselbe.

 

Dank Sportmodus gelang es, die Drohne schnell an die gewünschte Stelle zu fliegen. Der Skipper machte keine Anstalten, sich zu beeilen, verliess sich auf sein Urvertrauen, dass schon alles gut kommen möge und zeichnete in aller Ruhe die wundervolle Landschaft, in die die Kultstätte eingebettet war, auf. Marco hatte einen cleveren Plan und verschaffte unserem Drohnenflug noch einige Sekunden, indem er die Aufsicht mit Fragen ablenkte, die orientierungslose Turisten normalerweise stellen würden. „Bring it down! Now!“, stand dann die Aufsicht doch plötzlich neben dem Skipper: „You are not allowed to fly here.“ – „Ok, I’ll bring it down.“, willigte der Skipper ein. „Bring it down now!“, wiederholte die Aufsicht. Der Skipper liess sich nicht stressen, sagte ihr aber bestimmt: „It needs some time and I am already about to do it!"


Würde uns die Aufsicht die Drohne konfiszieren, sobald wir sie gelandet hätten? Hätte unsere Filmerei rechtliche Konsequenzen? Griechischer Knast mag ja wohl besser sein als türkischer oder irgendein amerikanischer Knast, wo die druchtrainierten Killermaschinen festgehalten wurden. Aber in den Knast wollte niemand von uns. Wir waren gespannt. Die Drohne flog sanft in Sevis Hände. Und es passierte... nichts. Die Aufsicht ging wieder ihres Weges, beobachtete uns noch eine Weile aus der Ferne und das wars.

 

Als wir die Drohne übrigens noch einmal ausserhalb des Parkes starten wollten, eilte ein Taxifahrer herbei und fragte, ob wir verrückt seien. „If the police sees you with this thing, you go directly to jail! Do you wanna go to jail?“ Das gesagt, setzte natürlich unsere Vernunft ein und wir liessen davon ab, nur für eine Szene Gefängnis oder Busse zu riskieren.

 

Nach feiner Eiscreme und Cheesecakes in einem schönen Hafenrestaurant fand auf der Geneva ein Havenmanöver-Training statt. Das Ziel war, römisch-katholisch anlegen zu können und die Yacht sicher zu parkieren. Sevi, Mirko, Dani, Marco und Jo haben alle mitgemacht. Im Turnus konnte jeder eins bis zweimal jeden Posten übernehmen, sprich Ankermann, Steuermann, Verantwortlicher für Heckleinen backbord- und steuerbordseits. Ganz grosses Hafenkino zu unseren Gunsten, denn alle schafften es, die Yacht sauber zu parkieren.

 

Zwischen dem einen und dem anderen Hafenmanöver sprang Dinah an Bord, weil der Hafen von Galaxidi entgegen der Beschreibungen in Törnführern keine nennenswerten sanitären Anlagen führte. Die Manöver waren sanft, so dass sie die Dusche an Bord geniessen konnte.

Während die Crews der anderen Yachten sich auf die verschiedenen Restaurants entlang der Hafenpromenade verteilten, suchte sich die Schweizer Crew ein Restaurant, das weiter davon weg lag. Erfahrungsgemäss sind nämlich Restaurants, die abseits des touristischen Getummels liegen, besser und günstiger. Dies mag wohl in der Tatsache begründet liegen, dass inmitten des Hafens auch ein schlechtes Lokal von unwissenden Touristen besuch wir und deshalb überleben kann. Gaststätten, die etwas versteckt liegen, würden wohl nur überleben, wenn sie für ihre gute Küche und oder Gastfreundschaft bekannt sind. Und das Essen schmeckte tatsächlich auch diesmal vorzüglich. Mindestens so gut war auch die dortige Gastfreundschaft. Wir wurden vom Koch und Inhaber höchstpersönlich bedient. Allerdings waren wir derart müde, dass man bei manchen fast schon den Eindruck haben könnte, nicht die Gabel bewege sich zum Mund, sondern der Kopf in den Teller. Schlafen war hoch im Kurs!

Heaven’s Door

Mittwoch, 12. April 2017

 

„New York, if I can make it here, I can make it everywhere...“, so durften wir an diesem schönen Tag aufwachen – mit der beeindruckenden Lebenskraft und voluminösen Stimme von Frank Sinatra. Frühstück an Bord und dann fingen wir im goldenen Kleid, das die Sonne über das Dorf von Galaxidi legte, mit der Drohne noch ein paar imposante Szenen ein. Auf einmal hat der Skipper, der das Ding flog, einen heftigen Adrenalinkick bekommen. Um eine Haaresbreite wäre er mit der Drohne beim Rückwärtsflug in ein Hausdach gekracht. So schnell sich die 1500 Franken auf einen Knall hätten in Luft aufgelöst können, wussten wir nun aber auch, dass wir beim Vorwärtsflug unbesorgt filmen konnten, ohne irgendwo dagegenzufliegen.

 

Vor dem Ablegemanöver rauchte Dani noch genüsslich eine Zigarette auf der Hafenpromenade im wärmenden Sonnenlicht. Sevi war heute Dayskipper und Dinah fand sich in bester Gesellschaft auf einer anderen Yacht ein. Ein langes Stück schienen wir ohne Wind auskommen zu müssen.

 

„Hatte nicht Dani Anfangs Ferien mal gesagt, wir würden jeden Tag Sport machen?“, meinte jemand der Crew. Und dann folgte alles Schlag auf Schlag. Karin, Sevi, Mirko, Dani und Roger, alle zogen mit. Zuerst liessen wir eine Serie an Liegestützen durch. Aus der Aussenbordanlage dröhnte dabei aufpeitschender Sound, der die letzten Kraftreserven aus unseren Körpern freilegte. Dem folgten Rumpfbeugen. Es war heiss geworden. Plötzlich zogen immer mehr ihre T-Shirts aus. Unsere Yacht war zu einem Floating Water Gym geworden. Wir heizten uns gegenseitig auf. Die anderen Yachties beäugten uns aufmerksam aus der Ferne. Was für ein Spass! Das Finale spielte sich mit Klimmzügen am Grossbaum ab, wobei sich nur noch zwei Crew-Mitglieder dort verausgabten.


Eine Weile war vergangen. Plötzlich setzte Wind ein. Zack, zack, Segel rauf und wir hatten achterlichen Wind, der uns auf räumlichen Kurs vorantrieb. Wieder überholten wir Yacht um Yacht. Wir verstanden das nicht ganz. Wir legten es in keiner Weise auf irgendein Rennen an, doch jedes Mal lagen wir wieder vorne.

 

Nach vier Tagen Segeln war es nun aber wirklich höchste Zeit, die versprochenen Mann-über-Bord-Manöver zu trainieren. Severin bekam von Roger einen Block und drei verschiedene Stifte. Sofort zeichnete Sevi das Manöver auf Papier auf, die restliche Crew verfolgten die gemalten Striche aufmerksam und diskutierten das Vorhaben. Steuerbord achterlich von uns segelte noch eine andere Yacht der Sailing Jollies. Daher setzten wir einen Funkspruch an alle Schiffe ab und warnten vor unberechenbaren Manövern unsererseits, da wir ein kleines Training lancieren würden. Danach fiel der weisse Fender in hohem Bogen ins Wasser. Obwohl beim ersten Mal das Manöver nicht wie besprochen gefahren wurde, fischten wir den Fender erfolgreich aus dem Wasser. Dem Folgten zwei weitere Manöver, immer unter der Leitung eines anderen Steuermannes. Übrigens: damit sind auch Frauen gemeint .

Bald hatten uns alle anderen Yachten einge- und überholt. Wir wollten ja nicht den Anschluss verpassen. So setzten wir dann auch wieder Kurs auf Nafpaktos. Bei der Bucht vor dieser wunderschönen malerischen Stadt angekommen, braute sich am Himmel über der örtlichen altertümlichen Burg ein schwarzes Gemisch zusammen. Der Wind legte sofort zu. Fast genauso schnell ordnete Sevi an, aus Sicherheitsgründen die Segel zu reffen. So zogen wir gen Nordwesten hin zur Bucht.

 

Doch was war denn das? Stinkfrech wurden wir hinterrücks von Grahams Verona attakiert! Mit vollen Tüchern verfolgte uns die Yacht mit vollem Speed. Offenbar wollten sie uns zum Rennen herausfordern. Wir fanden uns ganz schnell in einem Dilemma von Sicherheit und Gewinnstreben. „Sollten wir Volltuch fahren, sollten wir nicht?“, fragten wir uns. Doch wir hatten beobachtet, dass der Wind bereits wieder nachgelassen und weniger böig wurde. „Scheiss drauf!“, rief ein Crew-Mitglied und „ratsch“ waren wir unter Volltuch.

 

Nun lagen die Yachten gleich auf. Grahams Crew adjustierte noch eines der Segel ein wenig, worauf sie wieder an Geschwindigkeit zulegten und uns zu überholen drohten. „Was zum Teufel machen wir bloss falsch? Wir haben doch schon den perfekten Segeltrimm?“, dachte sich Roger von der Geneva. Dann schnappte er sich die Kurbel und spielte mit den Segeln. Auch da passierte nichts. Plötzlich legte die Geneva auch an Speed zu. Der Grund, warum, Graham plötzlich Geschwindigkeit gewann, während wir unverändert schnell gen Hafen zusteuerten, war der Kurs. Wir waren zu hoch am Wind. Graham lag ausserdem im Luv, also näher am Wind, und profitierte als erster davon, dass der Wind nochmals auffrischte. Nun waren die beiden Yachten genau gleich schnell. Plötzlich wendete Graham völlig überraschend und stach wieder hinaus in den Golf.

 

Untderdessen hatte sich Richard mit seiner Sea You schon längst im kleinen Hafen von Nafpaktos verankert, der eher nach einer altertümlichen Festung anmutete. Richard koordinierte alle Yachten über Funk auf Kanal 08. Der Hafen war derart schmal, dass er nur für Yachten unter 11 Meter empfohlen wurde. Richards Yacht mass 15 Meter Länge. „Ok, next Yacht to come in is Verona. Please come alongside to my porttack!“, verlautete er über Funk. Während er so Yacht für Yacht hineinkoordinierte, liessen wir unsere Drohne emporstiegen und über dem Hafenbecken kreisen. „weak transmission signal“ leuchtete die Warnung immer wieder auf unserem iPad auf. Was war denn nur los? Die Drohne soll doch für eine Reichweite von über 3 Kilometer gebaut worden sein? „Soll ich etwas näher zum Hafen fahren?“, fragte Sevi, der die Yacht souverän im Meer anderer Yachten vor dem Hafen an Ort und Stelle hielt. Und so fuhren wir näher ran, um die schönsten Videoaufzeichnungen zu machen.

 

Aus dem Funkgerät scherbelte es: „Geneva, Geneva, this is Sea You. you’re next. Call me again when you’re in front of the entrance! Copy?“ Das war Richard. Wir waren also dran. Da wir verhältnismässig noch weit draussen waren und wir zuerst nur zögerlich auf die Hafeneinfahrt zunavigierten, legte Roger Sevi nahe, den Gashebel runterzudrücken.

 

Und so fanden wir uns innerhalb einer Minute vor dem imposanten Hafenbecken wieder. „Alright guys, give me thump up if you can hear me!“, Richard wieder. Unsere Crew machte Daumen rauf. „Please steer your boat to the left side as close to the wall as possible. I will tell you when you’re ready to drop the ancor!“, ordnete er an. Wieso sollte er uns zu sagen haben, wo wir den Anker setzen sollen? Aber der Grund war schnell klar. Da so viele Schiffe im Hafen waren und er von jedem einzelnen wusste, wo deren Anker lag, konnte er somit verhindern, dass sich Anker überlagerten.

 

Nachdem wir fest waren, teilte sich die Gruppe. Der Grossteil stieg zur Burg von Nafpaktos auf, wo wir einen unglaublichen Blick auf die Bucht und die wunderschöne, verwinkelte, an den Hang gebaute Stadt geniessen durften. Auf dem steilen Aufstieg zur Burg begegneten wir Katzen, Hunden, die uns lautstark anbellten, einer Ruine eines türkischen Bades und einem ganz speziellen Tor.

 

Vom richtigen Winkel her betrachtet, schien das Tor in den Himmel zu führen. Amüsiert  von dessen Anblick und der religiösen Bedeutung verewigten wir das Tor auf unseren Kameras. „Nur noch ein kleines Stück, dann sind wir bei der Burg“, meinte Marco. Als wir da oben waren, kam die Ernüchterung: Das Tor zur Burg war verschlossen. Die Öffnungszeiten waren zu unseren Ungunsten. Es war etwa 17 Uhr, doch Besucher waren nur bis 15 Uhr zugelassen.

Das Abendessen war ein spannendes Vergnügen, denn jedes Schiff richtete sein eigenes Essen her und brachte es anschliessend auf die Sea You. Die Kombüse war überfüllt mit Menschen. Jeder konnte seinen Teller mitbringen und sich bedienen, gleich dort dinieren oder den gefüllten Teller wieder auf seine eigene Yacht mitnehmen. Das ist Food Sharing!

Das böse Gesicht der Natur

Donnerstag, 13. April 2017

 

Heute hatten wir einen weiten Weg vor uns. In einem Zug sollten wir von Nafpaktos nach Vathy auf Ithaka. Insgesamt sprechen wir hier von 60 Seemeilen an einem Tag oder 10 Stunden Fahrt. Mirko war zum Dayskipper ernannt worden und sorgte für ein einwandfreies Ablegen und Lichten des Ankers. Die Zeit mit 08:15 Uhr war etwas unchristlich, zieht man in Betracht, dass wir dafür auch einiges davor aus den Federn mussten.

 

Der Tag startete mit dem Spektakel der Rion Bridge. Die Brücke ist die westlichste Verbindung zwischen dem Peloponnes und dem griechischen Festland. Die Brücke fusste auf vier Pfeilern, zwischen denen Schiffe passieren konnten. Es stellte sich uns die Herausforderung, zu wissen, zwischen welchen Pfeilern wir durchfahren durften, denn die Brücke wies zwischen allen Pfeilern unterschiedliche Höhen auf. Wir wussten, dass wir die Behörden, also Rion Traffic, anfunken und unsere Schiffsdaten bekanntgeben müssten.

 

„Wie hoch ist unser Mast?“, fragte Dayskipper Mirko den Skipper Roger. „Ich weiss es nicht. In den Schiffspapieren habe ich nichts über die Höhe gefunden.“, antwortete dieser. „Dann geben wir doch einfach an, was Graham mit seiner Verona angegeben hatte, oder?“, meinte Mirko. – „Ja, uns bleibt kaum eine Wahl.“ Dann funkte Mirko Rion Traffic an: „Rion Traffic, Rion Traffic, Rion Traffic, this is Geneva, Geneva, Geneva, we are sailing yacht, 11 meters long, 15 meters high and would like to cross the bridge from east to west, over.“ Gleich darauf scherbelte aus dem VHF: „Geneva, this is Rion Traffic, you can pass the bridge, one pillar to the right, three pillars to the left, over.“

 

Was hatte er genau gesagt? Wir hatten kaum verstanden. Wo sollten wir nun die Brücke passieren, ohne dass uns dabei der Mast abknickt? Zum Glück hatten wie die Konversation am Funk auf dem Handy aufgezeichnet. So konnten wir das Gesagte in aller Ruhe abhören und verstanden klar, dass wir einen Pfeiler zu unserer Rechten und drei zu unserer Linken haben müssen, um unbeschadet unter der Brücke hindurchzupassen. Auf dem Weg hatten wir die Verpflichtung, Rion Traffic eine Seemeile davor nochmals anzufunken. Grünes Licht! Wir durften also passieren.

 

Die Brücke kam näher und näher. Hatten wir die richtige Höhe unserer Yacht angegeben? Der Mast kam immer näher auf Höhe der Brücke. Der Skipper Roger wurde angespannt. Er bat den Steuermann augenblicklich, die Geschwindigkeit zu drosseln. Als die Brücke noch einige Meter vor uns Lag, schien es überhaupt nicht zu passen. „Sofort die Yacht abdrehen, damit wir im Notfall wegfahren können!“, delegierte den Skipper den Steuermann. „Mehr, mehr, mehr!“, doppelte er nach. Es schien unmöglich, dass die Geneva darunter hindurchpassen würde und dann passierte es: Es klappte doch! Optik ist ein schwieriges Gebiet. Zwischen unserem Verklickerer und der Brücke lagen wohl noch geschätzte drei bis fünf Meter. Uns fiel ein Stein vom Herzen.

 

Der Wind liess heute auf sich warten. Um der drohenden Langeweile von zehnstündigem Motoren präventiv entgegenzuwirken, veranstalteten wir an Bord wieder unser „Floating Gym“. Der Sound trällerte aus der Anlage. Heute waren Liegestützen, Schultertraining und Bizeps angesagt. Für Letzteren liessen wir uns eine gar seemännische Übung einfallen. Da war doch ein schwarzer Pütz (Kessel) mit einer ellenlangen, bleiern schweren Ankerkette in unserer Backskiste, nicht? Klippklapp schnappte die Kiste auf und zu und da war der Kessel, im Cockpit zwischen den Steuern. Wir gaben einige Kettenglieder aus, fixierten dann die Kette am vorstehenden restlichen Draht des Henkels und da rasselte die Kette vom Deck weg und wieder zurück, während die fleischliche Kugel an Mirkos Oberarm unter dem Zittern der feinsten Muskelvibrillen mit jeder Wiederholung dezent an Volumen zulegte. Gab es etwas männlicheres als mit diesem Kessel zu trainieren wie ein waschechter Seebär?

 

Wir hatten richtig Spass und der Ansporn liess jeden seinen inneren  Schweinehund überwinden. Selbt Marco, der heute bei uns an Bord zu Gast war, trainierte mit. Anina und Dinah genossen im selben Moment eine etwas ruhigere Zeit an Bord der Sea You. Physisches Training soll ja auch gut sein fürs Hirn. So ging uns plötzlich ein Licht auf, warum wir auch heute schon wieder eine der führenden Yachten waren. Die anderen passten wohl ihre Geschwindigkeit der langsamsten Yacht an.

Die Zeit verging. Im Westen nichts neues, obschon wie immer weiter in die Richtung segelten. Und plötzlich zog ein Lüftchen auf. „Ratsch“ setzten wir die Segel und machten ein paar Schläge, bis der Wind wieder nachliess. Die Mittagssonne erwärmte unsere Körper und unser Gemüt in den Luftströmen, die förmlich die kühle Frische des Meeres aufnahmen. Mit dem abnehmenden Wind ebneten sich auch die Wellen, offenbar nur, um anschliessend mit mehr Geschwindigkeit Türme aus Wasser von Nordwesten nach Südosten zu schieben.

 

Wir refften schon bald unsere Segel. Der Wind erstarkte zunehmend. Aus drei Beaufort wurden vier, aus vier fünf. Die Yacht krängte massiv, teils bis um die 30°. Immer wieder schoss sie in den Wind, weil das Reff, das wir gerade reingemacht hatten, schon nicht mehr ausreichte. Also nochmals reffen! Der Wind war richtig giftig. Hätte er ein Gesicht gehabt, wäre es grau gewesen mit einem düsteren Blick und spitzen, bissigen Zähnen in einem halbgeöffneten, bösen Mund. Unser plan war es, möglichst weit zur Insel Atokos heraufzusegeln, um nachher mit einem einzigen Schlag in die Bucht von Vathy einfahren zu können. Wir hatten den Winkel berechnet, den wir dafür benötigen würden und dieser lag bei ganzen 160°! Wir segelten unterdessen mit sieben bis acht Beaufort Wind und über 6 Knoten Fahrt hart am Wind. Der Skipper holte die Lifebelts und verordnete der Crew, diese anzuziehen und sich am Schiff festzumachen.

Kurz danach dann schoss bereits die nächste Böhe in die Segel und drohte unsere Yacht noch stärker zu krängen. „Mein Gott, wir haben schon 3 Reffs in beiden Segeln drin und es reicht noch immer nicht!“, meinte der Skipper. Hier zeigten sich nun die Vorteile eines Rollgross! Ein Lattengross hätte uns gezwungen, das Trisegel zu montieren. Dabei hätte jemand mittschiffs gehen müssen, was ein Risiko dargestellt hätte. Mit der komfortablen Rollgrossanlage konnten wir so das Haupt- und das Vorsegel problemlos vom Cockpit aus nochmals um einen guten halben Meter verkleinern.

 

War doch am Morgen Wind von maximal 21 Knoten prognostiziert, fanden wir uns im wilden Treiben eines Sturms wieder. Unser Funkgerät hatte einen Tag davor aufgehört, die GPS-Position der Yacht zu erfassen. In einem Notfall hätten wir die ganzen Positionsdaten manuell eingeben müssen. Vathy war 7 Seemeilen, also über eine Stunde von unserer aktuellen Position entfernt. 15 Minuten vor uns lag allerdings auf Atokos eine schützende Bucht an der Ostküste. Genau mit diesen Worten wandte sich der Skipper an die Crew und fragte nach dem Wohlbefinden und was ihnen lieber wäre. Fast einstimmig war die gesamte Besatzung dafür, die Bucht anzusteuern und entweder am späteren Abend oder am frühen Morgen des Folgetages die Überfahrt nach Vathy fortzusetzen.

So ankerten wir an jenem Abend auf kiesigem Untergrund und kochten uns eine herzhafte Mahlzeit. Über den Funk erfuhren wir, dass sich die Maxima mit der Skipperin Lisa und die Britannia mit dem Skipper Alex rund sieben Seemeilen südlich von uns im Schutz der Insel Vromonas aufhielten. Mit jedem Funkspruch klang Lisas Stimme höher und schneller, was uns ein wenig Sorge bereitete. Ginge es ihnen gut? Wir sendeten ihnen auf Anfrage über den Skipperchat noch eine Abbildung ihrer Umgebung, die einen sicheren Ankerplatz aufzeigte. Auf dessen Anfahrt wären sie allerdings in eine Legerwall-Situation geraten. Danach schalteten wir den Funk aus und legten uns schlafen. Während die wenigen Wolken sich langsam verzogen und der Nachthimmel die funkelnden Sterne freigab, zogen noch einige Böhen in die Bucht. Doch der Anker hielt!

Ein Stern im Meer

Freitag, 14. April 2017

 

Der letzte Tag brach an. Noch bevor die Sonne zu ihrem Zenit aufstieg, legten wir zur Überfahrt nach Vathy ab. Die See war ruhig. Kaum zu glauben, dass noch am Vorabend hier die Hölle los war. Eine Stunde und 7 Seemeilen später verständigten wir uns per Funk mit Richard, der uns einen Platz längsseits einer anderen Yacht zuwies. Tagesskipper war Severin. So fragte Roger, der Skipper, ob es hier wohl Duschen gäbe. Severin hat vergebens im Handbuch gelesen, denn darin war nichts zu finden. Offensichtlich war das Glück heute mit uns. Unsere Yacht lag nämlich direkt vor einem Haus, dass Duschen anbot. So traten wir in ein griechisches Haus. Die Haustür stand offen. Beim Eintreten füllte sich die Nase mit dem Geruch von altem, abgestandenem Rauch. Im Inneren schienen alle Türen verschlossen zu sein. Wir getrauten uns nicht, alle Türfallen herunterzudrücken, um dahinter mit etwas Glück eine Dusche zu finden. Eine runde Treppe führte nach oben. Womöglich wohnte ja dort oben jemand. Als der Skipper klingelte, hörte er hinter der Tür die Schnüffelnase eines Hundes, gefolgt von dessen schnellen Schritten. Lange passierte nichts.

 

Dann erklang durch die Haustüre im unteren Stock eine Stimme, die vom Balkon des ersten Stockes mit der Crew sprach, welche vor dem Haus wartete. Dann passierte wieder nichts. Der Skipper stieg wieder ins Erdgeschoss herunter und fragte die Crew, was die Person auf dem Balkon gesagt hätte. Und dann trat plötzlich eine ältere, herzliche Dame mit brennendem Glimmstängel zwischen den Lippen aus dem Schatten des Ganges hervor. Sie öffnete uns zwei Gästezimmer, wo wir in sehr beengten Badezimmern duschen durften. Das Badezimmer hatte wohl knapp einen Meter Breite und war geschätzte zweieinhalb Meter lang. Endlich konnten wir das Salz und den Schmutz vom Vortag, aber auch von einigen schmutzigen Konversationen vom Leib duschen.

 

Alle deutschsprachigen Segler trafen sich darauf an der Hafenpromenade auf Kaffee und Gipfeli unter einem Sonnenschirm. Heute war der Geburtstag von Jo. Er bekam ein Gipfeli spendiert und alle haben Happy Birthday für ihn gesungen. Kurz noch ein Austausch mit Gary und Rares, den anderen Skippern, über die letzte Nacht und wir machten uns bereit für die wohl spektakulärste Formation, die wir jemals mit einem Segelschiff gefahren sind: Eine Sternformation mit neun Yachten!

 

Zuerst setzten die zwei grössten Yachten ihren Anker und fuhren 180° entgegengesetzt Heck an Heck aufeinander zu, bis sie sich die Leinen zuwarfen, um sich gegenseitig festzumachen. Dann hätte eine dritte Yacht aus einem 90°-Winkel aus Südwest mit gesetztem Anker rückwärts an die zwei Yachten heranfahren sollen. Aus bis heute unbekannten Gründen haben sie es allerdings nicht geschafft. Richard hatte uns, Geneva, angefunkt, um uns bereitzumachen, sobald die andere Yacht es endlich geschafft haben würde. Anstatt zu Warten, boten wir Richard an, dass wir den Part des dritten Schiffes übernehmen könnten. Er war einverstanden.

 

Und so fuhren wir das Manöver und zogen nach Übergabe der Leinen die drei Yachten nach Schweizerischer Massarbeit in eine Formation, wobei alle in einem Winkel von 120° voneinander gedreht in eine andere Himmelsrichtung ausgerichtet waren. Nun kamen noch je zwei Yachten auf jeder Seite der drei bereits verankerten Yachten hinzu und die Formation war komplett – wunderschön! Die Herausforderung bei dieser Anordnung besteht darin, alle Leinen zu den dazukommenden Schiffen festzumachen, bevor man die Leinen zu den Booten davor löst. Ein einziger Fehler reicht, um die ganze Formation auseinanderfallen zu lassen.

 

Die Korken knallten, Essen wurde zubereitet, Drohnen flogen in der Luft, die Crews sprangen in den aus den Yachten umsäumten Pool, der sich gebildet hatte. Die Schweizer Crew auf der Geneva heizte zu einer Welle an, die rund um den Yachtzirkel gehen sollte. Doch wir sind keine Vögel mit angeborenem Schwarmverhalten und so dürfte man die Aktion anstatt eine Welle wohl eher als Kreuzsee bezeichnen. Die einen machten die Welle auf die eine Seite rum, die anderen auf die andere. Aber letztendlich spielte das sowieso keine Rolle, denn die Stimmung war der absolute Hammer!

 

Als der Spass sich dem Ende zuneigte, lief ein inoffizielles Rennen von Vathy nach Agia Effimina an. Einige Yachten segelten nördlich, andere südlich um die Insel Ithaka. Die Geneva und die Verona entschieden sich für die südliche Umrundung. Lange lief nichts. Langweilige, windstille, glatte See erstreckte sich über Meilen vor uns. Nach einer Woche durfte man sich auf eine eingespielte Crew verlassen können. Das war die Gunst der Stunde für den Skipper. Jetzt konnte er einen Moment für sich geniessen. Und so legte er sich auf das gut abgefederte Dingi, das an Bug festgezurrt war und liess sich in den wärmenden Sonnenstrahlen zu einem sanften dösenden Schlaf hinreissen.

 

Kaum hatten wir das Südkap von Ithaka umrundet, sahen wir bereits von der Ferne, dass der Wind zwischen Ithaka und Kefalonia massiv sein würde! Wir refften also vorzeitig das Gross, um nicht eine Kabellänge weiter vom Wind aufs Wasser gedrückt zu werden. Und es war eine gute Entscheidung, denn der Wind bliess bereits wieder mit gut sieben Beaufort. Doch anders als gestern, türmten sich die Wellen weniger auf und wir kreuzten hin- und her, bis wir gesättigt waren.

 

Darauf machten wir längsseits an der Nordmole des Hafens in Effimia fest. Plötzlich bemerkte der Skipper, dass wieder die beiden Männer des Vercharter-Büros auf der Hafenmauer standen und uns bei den Leinen assistierten. Der Blickaustauch verriet alles. Es war in dieser Woche noch kein Gras über den gebogenen obersten Bereich des Mast gewachsen. Richard setzte sich darauf allerdings dafür ein, auf beiden Seiten für bessere Stimmung zu sorgen.

 

Der Segeltörn gipfelte in einem Essen in einem Hafenrestaurant, wofür ein grosser U-förmiger Tisch für alle Teilnehmer hergerichtet wurde. Das Essen schmeckte aussergewöhnlich fantastisch für eine Kneipe, die ihre Speisequalität wegen des eh schon locker-flockig zuströmenden Tourismus getrost hätte in der Ecke stehen lassen können. Die Engländer sangen, tranken und eine Frau setzte ihren Mann auf einen Stuhl inmitten der Tische und bot ihm ein ausdrucksstarkes, voluminöses Solo, wobei sie ihm immer wieder über Brust, Nacken und Arme strich.

 

Irgendwann kam Jo auf die Idee, den Engländern mal etwas Schweizer Musik entgegenzusetzten und googelte den Songtext von Manni Matters Zündhölzli. Eine Minute später hatten alle den Text auf ihrem Handy und begannen als Gruppe zu singen. Die erste Strophe machte ordentlich Eindruck. Die Engländer hörten gespannt zu. Bei der zweiten verhedderten wir uns völlig und der gesungene Text floss stufenlos in ein schallendes Gruppenlachen über.

 

Zeitgleich stieg am mit glitzernden Sternen besetzten Nachthimmel eine Orange auf. Was? Eine Orange? Oder war das tatsächlich der Mond? In einem noch nie dagewesenem Orange-Rot-Ton liess er sich über dem Hafenbecken aufgehen. Ein Anblick, den man so schnell nicht vergisst. Während die einen bald darauf zu Bette gingen, zogen andere weiter in die nahegelegenen Bars und tranken auf dem Schiff weiter.

Das Ende

Samstag, 15. April 2017

 

Um 08:00 Uhr Aufstehen, das Schiff räumen und verlassen. Wir konnnten kaum glauben, dass die Woche bereits zu einem Ende gekommen war. Das Fade-out vom Segeln floss in ein ausgedehntes Frühstück in einem Bistro entlang der Hafenpromenade. Unter jungen Bäumen, die genau die richtige Menge Sonnenlicht der kühlen Morgenluft beimengten, nahmen wir in völliger Entspannung gemütlich unser Morgenessen ein. An dieses Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, hätten wir uns wahrscheinlich alle gewöhnen können. Einfach paradiesisch!

 

Einkauf von Souvenirs, T-Shirts... so setzte sich der Abreisetag fort. Um 13:00 Uhr holten uns zwei vorbestellte Taxis ab. Auf dem Weg zum Flughafen fuhren wir auf einer Strasse, die von einer Horde freilebenden Geissen besetzt war. Wir hatten fast nur noch Fell vor uns! Dabei durchquerten wir auch einen ehemaligen Kriegsschauplatz aus dem zweiten Weltkrieg, wo der Taxifahrer von der Schlacht zwischen Italien und Deutschland erzählte. Darin sollen über 2000 Menschen ihr Leben verloren haben (mehr auf Wikipedia).

 

 

Auch am Flughafen schien die Zeit keine Rolle zu spielen. Wir hatten fast den Eindruck, als hätten die Griechen den Flughafen nur für uns beziehungsweise nur für den Flug von Kefalonia nach Athen geöffnet. Kurz nach unserem Abflug würden sie den Flughafen wieder schliessen und nach Hause gehen. Die Anlage war derart klein, dass wir es uns erlauben konnten, draussen im Schatten einer Gartenkonstruktion gemütlich auf unseren Flug zu warten und unsere letzten Vorräte vom Schiff aufzuessen. Der Flug nach Athen, das Hotel gleich in der Nähe des griechischen Parlaments, ein sensationelles Dinner und ein nächtlicher Spaziergang um die Akropolis - so endete dieser unglaublich erlebnisreiche Segeltörn, ehe wir am nächsten Morgen den Flug in die verhältnismässig kalte und bewölkte Schweiz antraten. Ein grosses Dankeschön an alle Crew-Mitglieder. Ihr habt alle zu einer unglaublichen Stimmung beigetragen!


Erlebnisreise von Athen durch den Kanal von Korinth nach Kefalonia

Die wohl verrücktesten Segelferien, die man sich vorstellen kann. In einem Verband von 9 Schiffen segelten wir gemeinsam durch die griechische Götterwelt. Dabei durfte jedes Crew-Mitglied nach Belieben tagsüber auf einem anderen Schiff dabei sein und vom Wissen des jeweiligen Skippers profitieren.


Erlebnisbericht von Jo F.

"Segeln mit Roger ist nicht ‘Segeln von der Stange’. Das Letztere hatte ich vorher bei zwei anderen Veranstaltern erlebt. Sail4life schaut sich seine Crews vor dem Törn an und entscheidet dann, ob die Zusammensetzung vielversprechend ist und das ist etwas wert.

Bei unserem Törn in Griechenland (April 2017) war allerdings die Yacht von Sail4life bereits voll belegt. Roger konnte uns 3 aber auf dem Flottillentörn mit 9 (!) Schiffen noch auf eines der Anderen Schiffe. Wir waren top zufrieden mit unserem englischen Skipper. Aber auch mit Sail4life. Die ganze Organisation von Anreise, Übernachtungen vor und nach dem Törn und die Rückreise waren sehr gut organisiert und hat keine Wünsche übriggelassen.

Besonders hervorheben möchte ich zwei Dinge: Roger ist neben seinen guten Skipperfähigkeiten ein ausgezeichneter Trainer. Unermüdlich hat mit uns Anlegemanöver gefahren und hat jeden aktiv mitmachen lassen. Z.B. gab es jeden Tag einen neuen Tagesskipper, der unter Aufsicht die Skipperarbeiten erledigen durfte. Der zweite angenehme Punkt auf dem Törn war die Abwechslung. Praktisch an jedem Tag gab es etwas Neues und wir hatten sehr viele Erlebnisse. Lange Schläge, Nachtsegeln, der Kanal von Korinth, der Besuch in Delphi, Ankern im Kreis, Formationsfahren, uvm.

Weiter so Sail4life"

Segeltörn Athen / Kefalonia April 2017


Erlebnisbericht von Karin S.

"Bereits das zweite Mal war ich mit sail4life unterwegs – diesmal in einem grösseren Verbund mit total 9 Booten auf dem Weg von Athen in Richtung Korfu. Wir waren von Athen (Marina Alimos Kalamaki) bis Kefalonia (Agia Efimia) mit dabei und allein in dieser einen Woche gab es einiges zu erleben:

 

- Durchfahrt durch den Kanal von Korinth;

- Ausfahrt um 4 Uhr morgens mit einem grandiosen Sonnenaufgang Steuerbord seitig und gleichzeitigem Vollmond   Backbord seitig, sowie hunderte von Delphinen, welche auf Futtersuche unsern Kurs kreuzten;

- Ein Landausflug zum Mittelpunkt der Welt - so dachten jedenfalls die Hellenen über Delphi (bei unserem Besuch     war das Orakel gerade nicht anwesend und so mussten wir ohne personifizierten göttlichen Ratschlag wieder von   dannen ziehen, bzw. mit den schönen, allgemein gültigen Ratschlägen: „Erkenne dich selbst“ und „Alles in               Massen“);

- Die Kunst 10 Segelboote ohne Ankersalat in den kleinen Hafen von Nafpaktos zu packen;

- Die etwas rauere See mit einem ungeplanten Aufenthalt in einer geschützten Ankerbucht;

- Eine Sternformation mit 9 Segelbooten, wodurch sich in der Mitte der coolste Pool ergab den ich je gesehen hatte;

- Ein paar kleineren inner-Schweizerischen Races mit unserm Schwester-Boot;

- Unterhaltsame Stunden mit der alteingesessenen Jollies-Truppe;

- Drohnen welche unsere Boote umschwirrten;

- Gutes Essen und leckere Schnäpse (Mastiha!, nicht Ouzo);

- Ziegen auf der Landstrasse;

- Osternacht in Athen (um Mitternacht durch die Gassen wandeln mit Kerzen in der Hand)

… und einem imaginären Untersee-Zug von Kefalonia nach Athen – aber das ist eine ganz andere Geschichte :) 

 

Auch dieser Törn war Erlebnis- und Abwechslungsreich, unser Skipper und Skipper(s)-in-Training hatten das Boot im Griff und mussten den Vergleich mit den RYA-erprobten Skippern der anderen Boote jedenfalls nicht scheuen. 

 

Ein herzliches Dankeschön ans sail4life Team: weiter so 

…und (für insider): „sea you, soon - roger“  ;)

 

Segeltörn Athen / Kefalonia April 2017